BLOSS KEINEN LEERLAUF!
So lautete der Wahlspruch unserer Perle Frau Pasewalk, liebevoll Pasi genannt. Fünfundzwanzig Jahre lang stand sie bei uns in Dienst, ehrlich bis auf die Knochen und treu wie Gold. Kurz nachdem wir ihr Jubiläum gefeiert hatten, bekam sie vom Arzt die Diagnose PARKINSON. Da haben wir dann alle hier in der Frühstücksküche gesessen und geheult. Zwei Jahre später ging es ihr bereits so schlecht, dass sie nicht einmal mehr meiner Mutter, ihrer geliebten und verehrten Chefin, das letzte Geleit geben konnte. Sie starb mit nur 61 Jahren.
Unsere Pasi war vielleicht nicht gebildet im klassischen Sinn, aber dafür besaß sie einen wachen Verstand und eine gehörige Portion Mutterwitz. Sie liebte Fremdwörter. Allerdings war das eine eher unglückliche Liebe, aus der dann Wortschöpfungen geboren wurden wie die antiautäre Erziehung, das vegetarische Nervensystem, der Quarantäner oder der Theorist. Wenn sie sah, dass wir uns nur mühsam das Lachen verkniffen, fragte sie: "War det schon wieda vakehrt?" und meinte dann: "Na, Se wissen ja, ick habe bloß Volksschule." Berlinert hat sie allerdings nur, wenn wir unter uns waren. Mit den Pensionsgästen sprach sie stets astreines, akzentfreies Hochdeutsch. Umgekehrt war das durchaus nicht immer der Fall. Wenn die Herrschaften auf Schwäbisch, Hessisch, Rheinländisch oder Plattdütsch loslegten – später kam auch noch Sächsisch dazu -, verstanden wir oft nur Bahnhof. Ich erinnere mich an einen Herrn aus Straubing. Als der anfing, mit mir in seiner 'Muttersprache' zu reden, sagte ich: "I beg your pardon, sir, but I can`t understand you. Do you speak English?"
Wieder zu Pasi. Über Leerlauf brauchte sie wahrlich nicht zu klagen, denn in einer Familienpension reißt die Arbeit auch bei nur sechs Zimmern mit elf bis siebzehn Gästen nie ab. .Mit der Zeit fühlte sie sich bei uns mehr zuhause als bei ihrer eigenen Familie; und wenn wir alle vier bis fünf Jahre für einige Tage wegfuhren, wohnte sie hier. Wir wussten, dass wir ihr Haus und Hof, die Gäste, den Hund und die Kasse bedenkenlos anvertrauen konnten.
Bei aller Freundschaft kam es nie zu plumpen Vertraulichkeiten, wir blieben auch all die Jahre hindurch beim Sie. Mit unserer Tierärztin halten wir das ebenso, dabei feiern wir in Kürze mit ihr schon „Silberhochzeit“. Ich bin mein Leben lang sehr sparsam mit dem Du umgegangen, tue es heute noch. Sogar der Beste und ich haben uns bis kurz vor unserer Verlobung gesiezt. Geschadet hat es uns nicht, immerhin sind wir schon stolze einundvierzig Jahre zusammen.
Ich habe das vom Papi gelernt. Er sagte immer: "Man sollte sein Du nur selten und bewusst an ganz besondere Menschen verschenken. Das macht es auch leichter, falls es doch mal zum Streit oder zur Trennung kommt. Außerdem klingt es immer noch besser zu sagen, Sie sind ein Idiot und Sie können mich mal, als Du…" Da hatte der Papi recht, finde ich.
06.10.2024, 18.38| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: ALLERLEI PLAUDEREI
EINE GUTE FRAGE
Sag mal, wann schreibst du nun endlich dein Buch?
Diese Frage hörte ich heute wohl zum hundertsten Mal von meiner besten Freundin und sie ist durchaus berechtigt. Seit mindestens zwei Jahren schiebe ich das Unternehmen vor mir her. Aus Faulheit, aus Bequemlichkeit oder warum sonst? Am fehlenden Material liegt es sicher nicht. Unser Leben ist und war schon immer so vielseitig, so anders als alle anderen und nie auch nur einen Tag langweilig. Liegt es vielleicht daran, dass ich denke, ich schreibe nicht schön genug?
Schreibe, wie du redest, so schreibst du schön.
Diese kluge Regieanweisung für
alle Schriftsteller und solche, die es gern werden wollen, stammt ausgerechnet
von meinem Lieblingsklassiker Gotthold Ephraim Lessing. Er war vor
fünfzig Jahren schuld an meiner Eins im mündlichen Deutschabitur. Aber
einfach frei von der Leber weg drauflos schreiben, die Gedanken, wie sie gerade
kommen, in die Tastatur fließen lassen ohne Filter und Zensur – das fällt mir
bis heute schwer. Vielleicht, weil es oft kritische und unbequeme Gedanken
sind, die keiner gern hören oder lesen mag. Aber es sind meine Gedanken,
niemand muss sie teilen oder sich zu eigen machen. Papier ist geduldig, hieß es
früher, und ich befürchte, ich habe so einige Bäume auf dem Gewissen, denn
geschrieben habe ich schon immer gern. Zum Glück gibt es heute Computer, da
hält sich die Rohstoffverschwendung in Grenzen. Obwohl der Strom ja auch nicht
immer umweltfreundlich erzeugt wird, also irgendwo beißt sich die Katze in den
Schwanz.
Und dann ist da noch
die Frage des Konzepts. So ein Buch braucht doch eine klare Linie, eine
ordentliche Gliederung. Vergangenes, soeben Erlebtes und gerade Gedachtes, bei
mir geht das alles drunter und drüber. Ich habe im Laufe der Jahrzehnte so viel
erlebt – mit Hunden und mit Menschen – habe so viele Erfahrungen gesammelt und
Erinnerungen angehäuft, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Und
eigentlich müsste ich doch chronologisch vorgehen, einem roten Faden folgen, um
meiner Leser nicht zu verwirren. Andererseits, irgendwo muss ich schließlich
anfangen, sonst wird nie etwas daraus. Und sortieren kann ich später immer
noch. Vielleicht ist das aber gar nicht so wichtig. Viele kennen sicher noch
diesen Satz von Heinz Rühmann am Ende der "Feuerzangenbowle":
Wahr sind nur die Erinnerungen,
die wir in uns tragen,
die Träume, die wir spinnen
und die Sehnsüchte, die uns treiben.
Damit wollen wir uns bescheiden.
Nun ist das mit meinen Erinnerungen
so eine Sache. Sie kommen selten in zeitlicher Abfolge und meistens dann, wenn
ich eigentlich an etwas ganz anderes denke. Ich betrachte einen Gegenstand oder
ein Foto, höre ein spezielles Lied oder lese einen bestimmten Satz – und schon
sind sie da, die Bilder aus der Vergangenheit.
Möglicherweise wird es also
ein ziemliches Durcheinander geben. So eine Art „Kessel Buntes“: Lustiges,
Trauriges, Biografisches, Nachdenkliches und Zorniges werden sich abwechseln
und im Mittelpunkt stehen immer – immer! - die Tiere, in meinem Fall
besonders die Hunde. Das ist meine Welt, und um die soll´s hier ja auch vor
allem gehen.
Entschuldigen möchte ich mich schon jetzt
bei allen, die sich von mir vielleicht nicht immer ganz korrekt angesprochen
fühlen. Das hat nichts mit mangelndem Respekt zu tun! Ich empfinde diese
andauernde Genderdiskussion nur als reichlich albern (aber schön, wenn wir
sonst keine Sorgen haben) und es wäre doch auch mehr als betrüblich, hinge mein
Selbstverständnis als Frau allein von einem Sternchen und einer kleinen
Nachsilbe ab. Sie wissen schon, Lehrer*Innen, Friseur*Innen und so weiter und
so fort).
Mir scheint, der Bann ist gebrochen. Na dann, (Hunde-)Leinen los!
06.10.2024, 18.03| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: ALLERLEI PLAUDEREI
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